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Körperliche Gewalt

Gewalterfahrungen in der Kindheit sind leider ein alltägliches Phänomen. Gewalt gegen Kinder kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor. Täter sind statistisch zu gleichen Teilen leibliche Väter und Mütter, oft aber auch die neuen Lebenspartner getrennter Eltern. Erwachsene wissen heute zunehmend, dass diese körperliche Gewalt gegen Kinder verboten ist. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass gewalttätige Eltern oft an Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen leiden. Frustrationen und emotionale Spannungen lassen sie an Kindern aus, die sie zu privaten Sündenböcken machen. Meist fehlt ihnen das Wahrnehmen des Kindes als eigenständige Persönlichkeit.

Laut Polizeistatistik wurden 2019 in Deutschland 4100 Kinder körperlich misshandelt, sie wurden krankenhausreif geschlagen – und das sind nur die angezeigten Fälle! Sie können davon ausgehen, dass in Deutschland mindestens ein Kind pro Tag durch die Hände seiner Eltern stirbt.

Auf einen Fall, der bei der Polizei angezeigt wird, kommen, je nach Schätzung unterschiedlicher Institutionen im Kinderschutz, 50 bis 400 ähnlich schwere Fälle von Misshandlung, die nicht angezeigt werden. Im Schnitt werden pro Jahr 60.000 Kinder nach einem Unfall in Kliniken eingeliefert. Oft fehlt sogar den Ärzten das Wissen, um Symptome von Misshandlungen klar zu erkennen. Deutschlands offizielle Statistik weist 160 getötete Kinder pro Jahr auf, die Dunkelziffer liegt bei mindestens 350 getöteten und etwa 25.0000 misshandelten Kindern pro Jahr. Geschätzte 60 Prozent der schweren Misshandlungsfälle – vermutlich viel mehr – landen nie vor Gericht. Wenn man Erwachsene befragt, geben mehr als 70,3 Prozent an, dass sie in ihrer Kindheit von Erwachsenen physische Gewalt erfahren haben.

Unfassbar, aber wahr

Es ist kaum vorstellbar und unfassbar, aber Misshandlungen von Kindern reichen von „schlichten“ Klapsen bis zu schweren physischen Verletzungen. Kinder, besonders Kleinkinder, ehe sie sprechen können, werden von Tätern, meist Müttern und Vätern, mit heißem Wasser verbrüht, mit Zigarettenkippen verbrannt, erhalten Schläge mit Gegenständen, die Hämatome oder Knochen- und Schädelbrüche hervorrufen. Kinder bekommen Haarbüschel und Kopfhaut ausgerissen („Scalping“), sie werden auf heiße Herdplatten gesetzt, sie werden gebissen, festgebunden und gewürgt. Säuglinge werden so lange geschüttelt, bis schwerste Gehirnschäden bis hin zum Tod eintreten. Juristisch gesehen sind all das Straftaten, die geahndet und bestraft werden müssen.

Falls die Kinder stark verletzt sind und medizinische Hilfe nötig ist, wird diese häufig erst einige Zeit nach dem Vorfall in Anspruch genommen. Denn körperliche Misshandlungen werden häufig als „Unfälle“ getarnt, wobei die Erklärungen über den Unfallhergang meist unklar und schwammig sind und oft nicht zu den Ausprägungen der Verletzungen des Kindes passen. Bei Befragung durch verschiedene Personen sind die Angaben der Täter zum „Unfallhergang“ dann widersprüchlich.

Seelische Misshandlungen

Darüber hinaus erfahren Kinder auch SEELENPRÜGEL, damit sind Handlungen gemeint, die das Kind zwar nicht direkt am Körper verletzen, ihm aber psychischen Schaden zufügen. Formen der seelischen Gewalt zerstören beim Kind das Vertrauen zur Bezugsperson, was die Persönlichkeitsentwicklung der betroffenen Kinder nachhaltig behindert.

Unter psychischen Misshandlungen versteht man alle Handlungen oder Unterlassungen von Eltern oder Betreuungspersonen, welche die Kinder ängstigen, überfordern oder ihnen das Gefühl vermitteln, sie seien wertlos, voller Fehler, ungeliebt, ungewollt oder lediglich dazu nütze, die Bedürfnisse eines anderen Menschen zu erfüllen.

Im Detail betrachtet ist ein Kind von seelischer Gewalt betroffen, wenn es beispielsweise ständig gedemütigt, verglichen, verspottet oder kleingemacht wird. Aber auch Gleichgültigkeit und Ignorieren des Kindes sind Formen seelischer Gewalt. Schwerwiegend sind auch Vorgehensweisen wie das Einsperren im Keller, das Alleine-Lassen, Isolieren oder ständige Drohungen.

Weitere Formen psychischer Gewalt sind:

  • wenn das Kind ständig beschimpft wird

  • wenn das Kind Zeuge familiärer Gewalt wird (passiv erlebte Gewalt)

  • wenn das Kind als Tröster eingesetzt oder zum Ersatz-Gesprächspartner bei Problemen wird

  •  wenn das Kind in Beziehungskonflikte der Eltern oder erwachsenen Bezugspersonen hineingezogen wird

Auch überbehütendes Verhalten ist seelische Gewalt, denn sie kann bei einem Kind zu Abhängigkeit, Unselbstständigkeit oder zu totaler Ohnmacht führen – auch damit ist die kindliche Entwicklung massiv blockiert und gefährdet.

Sexuelle Gewalt

Sexuelle Gewalt definiert sich als jede willentliche sexuelle Handlung mit, an oder vor Kindern. Dazu zählen exhibitionistische Handlungen (z.B. Entblößung des Täters) sowie jegliche sexuelle Handlungen mit und ohne Körperkontakt.

Pro Kindergartengruppe und Schulklasse sind im Durchschnitt ein bis zwei Kinder von sexueller Gewalt betroffen. Oft sprechen die Kinder über ihre traumatischen Erlebnisse, werden aber nicht gehört. Denn weite Teile der Gesellschaft sind für das Thema nicht sensibilisiert und ErzieherInnen, LehrerInnen PolizistInnen, SozialarbeiterInnen und RichterInnen dazu oft nur mangelhaft geschult.

Die Dunkelziffer weicht auch bei sexueller Gewalt weit von den tatsächlich angezeigten Fällen ab. Durch die entsetzten Reaktionen, die besonders bei sexueller Gewalt gegen Kinder zu sehen sind, wird deutlich, dass sexuelle Gewalt etwas ist, was unsere Grundfesten berührt und die Ordnung, in der wir leben, auf den Kopf stellt. Und das macht es sowohl für Betroffene als auch für Menschen, die Zeugen sind, oft unsagbar.

Auch Angst spielt dabei eine große Rolle. Die Angst, sich schuldig zu machen, die Angst, selbst unter Verdacht zu geraten, aber auch die durchaus berechtigte Angst, dass ein geäußerter Verdacht, der sich im Nachhinein als falsch herausstellt, großen Schaden anrichtet. Denn eine solche falsche Verdachtsäußerung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den sozialen Tod des Täters/der Täterin nach sich ziehen. Deswegen braucht es eine neue Kultur der Offenheit zu diesen Themen, die mit bisherigen Tabus bricht , eine Kultur, die die Kinderrechte noch stärker verteidigt, als es bisher der Fall ist und eine Kultur, in der auch Fehler passieren können, aus denen wir allerdings unbedingt lernen sollten.

Sexuelle Gewalt an Kindern ist weitverbreitet, sie kurzfristig völlig abzustellen, wird nicht möglich sein. Aus diesem Grund sind Präventionsmaßnahmen so überaus wichtig und dringlich.

Es ist mir sehr stark bewusst, dass es nicht einfach ist, dies alles zu lesen, aufzunehmen und als immer wieder vorkommende Tatsachen zu akzeptieren. Aber bitte seien Sie versichert, es ist für jene Kinder, die regelmäßig einer dieser Gewaltformen einzeln oder gar kombiniert ausgesetzt sind, noch sehr, sehr viel schlimmer. Deswegen dürfen wir als Gesellschaft nicht mehr länger wegsehen, sondern müssen diesen Fakten ins Auge blicken und vor allem ins Tun kommen!

Folgen der Gewalt gegen Kinder

Gewalt gegen Kinder ruft bei diesen schwerste Schäden an Körper, Geist und Seele hervor. Kinder verlieren durch stete Gewaltanwendung ihnen gegenüber ihr Urvertrauen, ihr Selbstwert wird dauerhaft reduziert, es können körperliche Schäden – bis hin zum Tod eintreten. 

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Literatur

Gewalt

Brisch, K. H. (Hrsg). (2017): Bindung und emotionale Gewalt. Stuttgart. Klett-Cotta.

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De Mause, L. (1977): Hört ihr die Kinder weinen? Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit. Frankfurt. Suhrkamp.

Gebhardt, M. (2009): Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen. Eine Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert. München. DVA.

Gisbrecht, J. (2012): Psychische Gewalt an Kindern. Auswirkungen von psychischer Gewalt in der Kindheit und im späteren Leben. Saarbrücken. Akademikerverlag.

Hafeneger, B. (2011): Strafen, prügeln, missbrauchen. Gewalt in der Pädagogik. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel Verlag GmbH.

Hundt, M. (2015): Was ist Gewalt – was ist gewaltfreie Erziehung? Ein wichtiges Kinderrecht und seine Bedeutung in der Praxis. In: TPS 10/2015, S. 34-37.

Krenz, A. (2013): Kinderseelen verstehen. Verhaltensauffälligkeiten und ihre Hintergründe. München. Kösel.

Mertes, L. (2013): Psychische Gewalt in der Erziehung. Erkennungsproblematik und Erkennungschancen für die soziale Arbeit. Hamburg. Diplomica.

Miller, A. (1983): Am Anfang war Erziehung. Frankfurt. Suhrkamp.

Tsokos, M., Guddat, S. (2014): Deutschland misshandelt seine Kinder. München. Droemer.

Kindeswohl

Bender, D./Lösel, F. (2005 a): Misshandlung von Kindern: Risikofaktoren und Schutzfaktoren. In: Deegener, G./ Körner, W. (Hrsg.): Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Ein Handbuch. Göttingen. Hogrefe, S. 317-346

Bender, D./Lösel, F. (2005 b): Risikofaktoren, Schutzfaktoren und Resilienzbei Misshandlung und Vernachlässigung. In: Egle, U.T./Hoffmann, S.O./Joraschky, P. (Hrsg.): Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. Stuttgart: Schattauer, S. 85-104

Deneke, Ch. (2005): Misshandlung und Vernachlässigung durch psychisch kranke Eltern. In: Deegener, G./ Körner, W. (Hrsg.): Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Ein Handbuch. Göttingen. Hogrefe, S. 141-154.

Dornes, M. (2002) Die frühe Kindheit. Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre. Frankfurt: Fischer.

Gissel-Palkovich, I. (2011): Die Sicherung des Kindeswohls. Überlegung zu konzeptionellen und strukturellen Voraussetzungen für die öffentliche Kinder-und Jugendhilfe. In: Goldberg, B./ Schorn, A. (Hrsg.): Kindeswohlgefährdung. Wahrnehmen-Bewerten-Intervenieren. Beiträge aus Recht, Medizin, Sozialer Arbeit, Pädagogik und Psychologie. Opladen & FarmingtonHills. Verlag Barbara Budrich. S.103-142.

Goldberg, Brigitta (2011): Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung. Zur Bedeutung sozialarbeiterischerKompetenz für die Anwendung und Entwicklung rechtlicher Regelungen. In: Goldberg, B./ Schorn, A. (Hrsg.): Kindeswohlgefährdung. Wahrnehmen-Bewerten-Intervenieren. Beiträge aus Recht, Medizin, Sozialer Arbeit, Pädagogik und Psychologie. Opladen & FarmingtonHills. Verlag Barbara Budrich. S. 143-168.

Hesser, K.-E.H. (2001): Soziale Arbeit mit Pflichtklientschaft-methodische Reflexionen. In: Gruppinger, M. (Hrsg.): Soziale Arbeit mit unfreiwilligen KlientInnen. Linz: Ed. Pro Mente, S. 25-41.•Seus, Sebrich, E. (2006): Welche Rolle spielt soziale Benachteiligung in Bezug auf Kindeswohlgefährdung? In: Kindler, H./ Lillig, S./ Blüml, H./Meysen, Th./ Werner, A, (Hrsg.): Handbuch Kindeswohlgefährdung nach §1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst ((ASD). München. Verlag Deutsches Jugendinstitut e.V. Kap. 21.

Scheithauer, H./Niebank, K./Petermann, F. (2000): Biopsychosoziale Risiken in der frühkindlichen Entwicklung: das Risiko-und Schutzfaktorenkonzept aus entwicklungspsychologischer Sicht. In: Petermann, F./Niebank, K./ Scheithauer, H. (Hrsg.): Risiken der frühkindlichen Entwicklung. Entwicklungspathologie der ersten Lebensjahre. Hogrefe: Göttingen, S. 65-100.

Schorn, A.(2011): Die Sicherung des Kindswohls durch bindungsorientierte Frühprävention oder Warum die Stärkung der elterlichen Beziehungskompetenz so wichtig ist. In: Goldberg, B./ Schorn, A. (Hrsg.): Kindeswohlgefährdung. Wahrnehmen-Bewerten-Intervenieren. Beiträge aus Recht, Medizin, Sozialer Arbeit, Pädagogik und Psychologie. Opladen & FarmingtonHills. Verlag Barbara Budrich.S. 187-214

Hilfe und Notrufnummern

Hilfeportal und Hilfetelefon Sexueller Missbrauch

Über das bundesweite Hilfeportal finden Sie Beratungsstellen, Notdienste, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Flüchtlingsberatungsstellen in Ihrer Region, die Ihre Fragen zu sexuellem Missbrauch beantworten können.

Das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch ist die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Menschen, die Entlastung, Beratung und Unterstützung suchen, die sich um ein Kind sorgen, die einen Verdacht oder ein „komisches Gefühl“ haben, die unsicher sind und Fragen zum Thema stellen möchten. Das Hilfetelefon ist unter der Rufnummer 0800 22 55 530 erreichbar.

Save-me-online.de ist das Online-Beratungsangebot für Jugendliche des Hilfetelefons.

Nummer gegen Kummer

Die Nummer gegen Kummer ist das größte telefonische Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern in Deutschland anonym und kostenlos. Seit 1980 hat der Verein Nummer gegen Kummer e.V. ein Netzwerk geschaffen, in dem bundesweit insgesamt rund 2900 Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen mitarbeiten. Auch rund 150 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren beraten ehrenamtlich.

Unter diesen Nummern ist die Nummer gegen Kummer kostenlos erreichbar:

  • Für Kinder und Jugendliche: 0800 111 0 333

  • Telefonzeiten: Montag bis Freitag 14-20 Uhr

  • Für Eltern und andere Erwachsene, die sich um Kinder sorgen: 0800 111 0 550.

Pausentaste

Das Projekt Pausentaste unterstützt junge Pflegende mit gezielter Beratung und Information. Unter der Nummer 116 111 erreichen ratsuchende Kinder und Jugendliche die Hotline von Montag bis Samstag jeweils von 14 bis 20 Uhr. Das Beratungsangebot ist kostenlos und auf Wunsch auch anonym. Auch Chat-Beratung ist möglich.

Soziale Notlagen

Für Notsituationen, hinter denen zwischenmenschliche oder psychische Probleme stecken, bieten auch Erziehungsberatungsstellen und die Telefonseelsorge Rat und Schutz. Sie ist Tag und Nacht zu erreichen.

Polizei-Notruf – 110

Notruf der Polizei und polizeiliche Beratungsstellen stehen zum Teil rund um die Uhr zur Verfügung. In Krisensituationen greift die Polizei ein und unterstützt Betroffene.

Auch online informiert die polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder – zum Teil auch in anderen Sprachen unter Polizei-Beratung.de. Polizei für dich richtet sich speziell an Kinder und Jugendliche.

Weiterführende Links

www.dgfpi.de
Infos der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (DGfPI) e.V.

www.dji.de/izkk
Infos des Informationszentrum Kindesmisshandlung / Kindesvernachlässigung (IzKK) des Deutschen Jugendinstituts (DJI), München

www.kindesmisshandlung.de
Infos der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin

Deutschen Gesellschaft gegen Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (DGgKV) e.V. Internetseite der Deutschen Gesellschaft gegen Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (DGgKV) e.V.

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und Deutsches Jugendinstitut (DJI) Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und des Deutschen Jugendinstituts (DJI).